Die häufigsten Digitalisierungs-Fehler (und wie Sie sie vermeiden)

Von Niclas Wunder, Der Gründer und CEO von ByteFront

Die häufigsten Digitalisierungs-Fehler (und wie Sie sie vermeiden)

Digitalisierung klingt verlockend: Automatisierte Prozesse, weniger manueller Aufwand, mehr Zeit für das Wesentliche. Doch die Realität sieht oft ernüchternd aus.

Unternehmen investieren Tausende von Euro in neue Software und stehen am Ende schlechter da als vorher. Mitarbeiter sind frustriert, Prozesse dauern länger als zuvor, und der Chef fragt sich, wo das ganze Geld geblieben ist.

Die gute Nachricht? Fast alle Digitalisierungsprojekte scheitern an denselben vermeidbaren Fehlern. In diesem Artikel zeigen wir euch die 9 häufigsten Fallen. Und wie ihr sie elegant umgeht.

Warum scheitern so viele Digitalisierungsprojekte?

Die Realität ist ernüchternd: Ein Großteil der Digitalisierungsprojekte in kleinen und mittleren Unternehmen erreicht die gesteckten Ziele nicht. Projekte werden abgebrochen, überschreiten das Budget oder bringen nicht die erhofften Verbesserungen.

Die Hauptgründe sind schlechte Planung und unrealistische Erwartungen.

Das eigentliche Problem: Die meisten Unternehmen denken, Digitalisierung bedeutet "neue Software kaufen und installieren". Doch erfolgreiche Digitalisierung hat wenig mit Technik zu tun und viel mit der richtigen Herangehensweise.

Die 9 häufigsten Digitalisierungsfehler

Fehler 1: Ohne klare Ziele starten

Der Fehler: "Wir brauchen auch mal was Digitales" – und schon wird losgelegt. Ohne Plan, ohne konkrete Vorstellung, was erreicht werden soll.

Warum das schiefgeht: Ohne messbare Ziele könnt ihr nie beurteilen, ob die Digitalisierung erfolgreich war. Ihr investiert Zeit und Geld, wisst aber nicht wofür. Am Ende ist jeder unzufrieden.

So macht ihr es richtig: Definiert vor dem Start konkrete, messbare Ziele:

  • "Angebotserstellung soll 3 Stunden statt 8 Stunden dauern"
  • "Fehlerquote bei Rechnungen um 80% reduzieren"
  • "Lagerbestand in Echtzeit einsehen können"
  • "5 Stunden pro Woche bei der Kundenverwaltung sparen"

Fehler 2: Zu viel auf einmal wollen

Der Fehler: Der Geschäftsführer ist motiviert und will gleich das komplette Unternehmen digitalisieren. CRM, ERP, Warenwirtschaft, Buchhaltung, Marketing-Automatisierung – alles gleichzeitig.

Warum das schiefgeht: Euer Team ist hoffnungslos überfordert. Zu viele Veränderungen gleichzeitig führen zu Chaos statt zu Verbesserung. Mitarbeiter schalten auf Durchzug oder kündigen sogar.

So macht ihr es richtig: Startet mit einem einzigen Prozess. Wählt den aus, der euch am meisten nervt oder das größte Verbesserungspotenzial hat.

ProzessAufwandNutzenErfolgswahrscheinlichkeitPriorität
AngebotserstellungNiedrigHochHoch1
RechnungsstellungNiedrigHochHoch2
KundenverwaltungMittelHochMittel3
LagerverwaltungHochMittelMittel4
BuchhaltungHochNiedrigNiedrig5

Praxis-Tipp: Wartet, bis der erste Prozess wirklich rund läuft und alle zufrieden sind. Dann nehmt ihr den nächsten in Angriff. Schritt für Schritt zum Erfolg.

Fehler 3: Mitarbeiter nicht mitnehmen

Der Fehler: Neue Software wird gekauft und installiert. Den Mitarbeitern wird mitgeteilt: "Ab nächster Woche arbeiten wir damit. Das wird super!" Punkt. Ende. Aus.

Warum das schiefgeht: Menschen haben natürliche Angst vor Veränderungen. Ohne richtige Einführung, Schulung und Geduld sabotieren sie unbewusst das neue System. Sie nutzen Umwege, vergessen die neuen Prozesse oder fallen in alte Gewohnheiten zurück.

So macht ihr es richtig: Nehmt eure Mitarbeiter von Anfang an mit ins Boot:

  • Erklärt ehrlich, warum digitalisiert wird (weniger Stress, mehr Zeit für interessante Aufgaben, sicherere Arbeitsplätze)
  • Holt aktiv Feedback ein: "Welche Probleme seht ihr im aktuellen Prozess?"
  • Schult ausführlich und geduldig – mehrmals, wenn nötig
  • Bestimmt "Digitalisierungs-Champions" – motivierte Kollegen, die anderen helfen
  • Belohnt Fortschritte und feiert Erfolge

Praxis-Tipp: Plant für Change Management mindestens so viel Zeit ein wie für die technische Umsetzung. Die beste Software hilft nichts, wenn sie nicht genutzt wird.

Fehler 4: Mit den komplexesten Prozessen anfangen

Der Fehler: "Lass uns gleich das ERP-System komplett automatisieren" oder "Wir digitalisieren mal eben die komplette Auftragsabwicklung von A bis Z."

Warum das schiefgeht: Komplexe Prozesse haben viele bewegliche Teile und Abhängigkeiten. Sie sind fragil und ändern sich häufig. Wenn hier etwas schiefgeht, steht schnell das halbe Unternehmen still.

So macht ihr es richtig: Startet mit einfachen, stabilen Prozessen, die wenige Abhängigkeiten haben:

Gute Starter-Prozesse:

  • Angebotserstellung aus Vorlagen
  • Rechnungsversand per E-Mail
  • Einfache Kundendatenpflege
  • Terminbuchungen
  • Newsletter-Versand

Komplexe Prozesse für später:

  • Komplette Warenwirtschaft
  • Mehrstufige Genehmigungsprozesse
  • Integration verschiedener Abteilungen
  • Prozesse mit vielen Ausnahmen

Praxis-Tipp: Fragt euch bei jedem Prozess: "Wie viele Dinge können hier schiefgehen?" Je mehr, desto später solltet ihr ihn angehen.

Fehler 5: Prozessdefinition und Automatisierung gleichzeitig

Der Fehler: "Wir definieren den Prozess komplett neu und automatisieren das dann direkt. Das machen wir in einem Rutsch – ist effizienter."

Warum das schiefgeht: Ihr stapelt zwei Risiken aufeinander. Neue Prozesse sind ungetestet und haben oft Kinderkrankheiten. Wenn ihr sie sofort automatisiert, automatisiert ihr auch die Fehler. Das Ergebnis: instabile Systeme, die ständig angepasst werden müssen.

So macht ihr es richtig: Folgt der bewährten 3-Schritte-Regel: Define → Test → Automate

  1. Define: Prozess neu definieren und dokumentieren
  2. Test: Mindestens 4-8 Wochen manuell mit dem neuen Prozess arbeiten
  3. Automate: Erst dann automatisieren, wenn der Prozess stabil läuft

Beispiel: Ihr wollt die Angebotserstellung optimieren. Erst entwickelt ihr eine neue Vorlage und einen klaren Ablauf. Dann arbeitet das Team 6 Wochen damit. Erst wenn alle zufrieden sind und der Prozess rund läuft, baut ihr die Automatisierung drumherum.

Praxis-Tipp: Seid geduldig. Die paar Wochen mehr investierte Zeit sparen euch später Monate von Nachbesserungen.

Fehler 6: Standard-Software für spezielle Probleme kaufen

Der Fehler: "Das CRM von der Stange wird schon passen. Notfalls passen wir unsere Prozesse an die Software an."

Warum das schiefgeht: Eure Prozesse sind aus gutem Grund so, wie sie sind. Sie spiegeln eure Branche, eure Kunden und eure Arbeitsweise wider. Wenn ihr sie an Standard-Software anpasst, verliert ihr oft wichtige Vorteile.

So macht ihr es richtig:

  • Analysiert erst genau, wie eure aktuellen Prozesse laufen
  • Überlegt, was konkret verbessert werden soll
  • Dann schaut nach passender Software
  • Bei Standard-Software: Prüft, ob sie mindestens 80% eurer Anforderungen abdeckt
  • Bei speziellen Anforderungen: Investiert in maßgeschneiderte Lösungen

Wann Standard-Software:

  • Euer Prozess ist sehr ähnlich zu anderen Unternehmen
  • Ihr wollt bewährte Best Practices übernehmen
  • Budget ist knapp

Wann Maßanfertigung:

  • Euer Prozess ist ein Wettbewerbsvorteil
  • Standard-Software würde wichtige Funktionen eliminieren
  • Integration in bestehende Systeme ist kritisch

Praxis-Tipp: Testet Standard-Software immer mit echten Daten und realen Prozessen, bevor ihr kauft.

Fehler 7: Technik vor Prozess stellen

Der Fehler: "Diese neue KI-Software ist total angesagt. Die brauchen wir auch!" Oder: "Wir nehmen das System, das unser Konkurrent auch hat."

Warum das schiefgeht: Die beste Technik hilft nichts, wenn der darunterliegende Prozess schlecht ist. Ihr digitalisiert dann nur euer Chaos – schneller und teurer als vorher.

So macht ihr es richtig: Folgt diesem bewährten 4-Schritte-Vorgehen:

  1. Prozess verstehen: Wie läuft es wirklich aktuell? (Nicht wie es laufen sollte)
  2. Probleme identifizieren: Was nervt? Was dauert zu lange? Wo passieren Fehler?
  3. Prozess optimieren: Wie sollte es idealerweise laufen? (Ohne Technik zu betrachten)
  4. Technik wählen: Welche Lösung unterstützt den optimierten Prozess am besten?

Beispiel: Eure Angebotserstellung ist chaotisch, weil Preise in Excel stehen, Kundendaten im E-Mail-Programm und Produktinfos in einem Word-Dokument. Die Lösung ist nicht eine fancy KI-Software, sondern eine zentrale Datenbank mit allen wichtigen Informationen.

Praxis-Tipp: Wenn ihr euch dabei ertappt, wie ihr eure Arbeitsweise an eine coole Technologie anpassen wollt, macht ihr etwas falsch.

Fehler 8: Daten und Schnittstellen unterschätzen

Der Fehler: Jedes System wird isoliert betrachtet. Dass Daten zwischen verschiedenen Tools fließen müssen, wird als "Detail" abgetan.

Warum das schiefgeht: Ihr habt am Ende 5 verschiedene Systeme, die nicht miteinander sprechen. Mitarbeiter müssen dieselben Kundendaten in 3 verschiedene Programme eingeben. Das ist das Gegenteil von Effizienz.

So macht ihr es richtig: Plant von Anfang an, wie eure Systeme zusammenarbeiten sollen:

  • Welche Daten müssen wo hin?
  • Wie oft müssen sie synchronisiert werden?
  • Was passiert bei Fehlern?
System ASystem BSchnittstelleAufwandKritikalität
CRMBuchhaltungAPI vorhandenNiedrigHoch
WarenwirtschaftOnline-ShopPlugin verfügbarMittelHoch
E-MailCRMManueller ImportHochNiedrig
ZeiterfassungLohnbuchhaltungKeineSehr hochMittel

Praxis-Tipp: Rechnet Integrationskosten immer mit ein. Lieber ein etwas teureres System, das gut integriert ist, als drei günstige, die nicht zusammenarbeiten.

Fehler 9: Digitalisierung als einmaliges Projekt sehen

Der Fehler: "So, Digitalisierung ist abgehakt. Das CRM läuft, alles gut." Dann passiert zwei Jahre nichts mehr.

Warum das schiefgeht: Euer Unternehmen entwickelt sich weiter. Neue Mitarbeiter kommen, Prozesse ändern sich, neue Anforderungen entstehen. Ohne kontinuierliche Pflege wird auch das beste System irgendwann zum Bremsklotz.

So macht ihr es richtig: Behandelt Digitalisierung als kontinuierlichen Prozess:

  • Plant regelmäßige Reviews (alle 3-6 Monate)
  • Sammelt aktiv Feedback der Mitarbeiter
  • Bleibt informiert über neue Entwicklungen
  • Optimiert kontinuierlich kleine Details
  • Plant Budget für Weiterentwicklungen ein

Wartungsplan-Beispiel:

  • Monatlich: Nutzer-Feedback sammeln
  • Quartalsweise: Prozesse auf Effizienz prüfen
  • Halbjährlich: Neue Features evaluieren
  • Jährlich: Grundsätzliche Systemüberprüfung

Praxis-Tipp: Tragt euch feste Termine im Kalender ein: "Digitalisierungs-Check". Dann vergesst ihr es garantiert nicht.

Das Erfolgsrezept: So geht Digitalisierung richtig

Aus unserer Erfahrung haben wir ein bewährtes 4-Phasen-Modell entwickelt:

Phase 1: Verstehen (2-4 Wochen)

  • Aktuelle Prozesse detailliert dokumentieren
  • Zeitfresser und Frustrationspunkte identifizieren
  • Potenziale realistisch bewerten
  • Prioritäten nach Aufwand-Nutzen-Verhältnis setzen

Phase 2: Planen (1-2 Wochen)

  • Konkrete, messbare Ziele definieren
  • Optimierte Prozesse entwerfen (noch ohne Technik)
  • Technische Anforderungen ableiten
  • Team vorbereiten und Change Management planen

Phase 3: Umsetzen (4-12 Wochen)

  • System entwickeln oder konfigurieren
  • Schrittweise Einführung (nie Big Bang)
  • Ausführliche Mitarbeiterschulung
  • Parallel-Betrieb mit altem System als Sicherheitsnetz

Phase 4: Optimieren (laufend)

  • Kontinuierlich Feedback sammeln
  • Kleine Verbesserungen umsetzen
  • Weitere Automatisierungspotenziale erschließen
  • System an wachsende Anforderungen anpassen

Der Schlüssel: Jede Phase muss abgeschlossen sein, bevor die nächste beginnt. Keine Abkürzungen, keine Parallelarbeit.

Wann solltet ihr externe Hilfe holen?

Digitalisierung in Eigenregie kann funktionieren – aber nicht immer. Holt euch professionelle Unterstützung, wenn:

  • Euer Team bereits voll ausgelastet ist
  • Komplexe Schnittstellen zwischen Systemen nötig sind
  • Maßgeschneiderte Software entwickelt werden muss
  • Ihr schon einmal mit einem Digitalisierungs-Projekt gescheitert seid
  • Das Projekt unternehmenskritisch ist

Wichtig bei der Partner-Auswahl: Wählt keine reine Tech-Firma. Ihr braucht jemanden, der eure Branche und eure Geschäftsprozesse versteht. Technisches Know-how ist wichtig – aber Business-Verständnis ist entscheidend.

Gute Fragen beim Erstgespräch:

  • "Können Sie Beispiele aus unserer Branche zeigen?"
  • "Wie gehen Sie mit Change Management um?"
  • "Was passiert, wenn das Projekt schiefgeht?"
  • "Wie machen Sie uns unabhängig von sich?"

Fazit: Digitalisierung ist machbar – mit der richtigen Herangehensweise

Die meisten Digitalisierungs-Fehler entstehen durch Ungeduld und schlechte Planung. Unternehmen wollen zu schnell zu viel erreichen, ohne die Grundlagen zu schaffen.

Dabei ist erfolgreiche Digitalisierung gar nicht so kompliziert:

  1. Klein anfangen statt alles auf einmal wollen
  2. Einfache Prozesse zuerst – komplexe kommen später
  3. Erst etablieren, dann automatisieren – keine Experimente
  4. Mitarbeiter mitnehmen – sie sind euer größter Erfolgsfaktor
  5. Prozesse vor Technik – erst verstehen, dann digitalisieren
  6. Integration mitdenken – Systeme müssen zusammenarbeiten
  7. Kontinuierlich optimieren – Digitalisierung ist nie "fertig"

Wenn ihr diese Grundregeln befolgt, wird eure Digitalisierung zum Erfolg. Euer Team arbeitet effizienter, ihr spart Zeit und Nerven – und könnt euch auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: euer Geschäft voranbringen.

Nächster Schritt: Schaut euch eure aktuellen Prozesse kritisch an. Welcher nervt euch am meisten? Wo verbringt euer Team zu viel Zeit mit repetitiven Aufgaben? Das ist euer perfekter Startpunkt für erfolgreiche Digitalisierung.

Niclas Wunder

Niclas Wunder

CEO

  • Unverbindlich
  • Erste Einschätzung deines Projekts
  • Erstberatung hinsichtlich Konzept und Technologie

Lass uns sprechen!